Ein historisches Problem

Verfasser: (Norbert) Südland, Aalen, Deutschland

Das Anliegen, alle Schriftsysteme der Menschheit einheitlich mit einem Rechner darzustellen und zu verarbeiten, hat historische Vorläufer, von denen vor allem die Bemühungen um die chinesische Schrift erwähnenswert sind. Bei der Schaffung eines einheitlichen Unikode mussten die Programmierer nämlich Funktionalität von Schriftzeichen programmieren, deren Auswahl und Reihenfolge noch gar nicht festgelegt war. Entsprechend zurückhaltend fielen entsprechende Textfenster aus.

Ohne Zweifel ist die chinesische Schrift von allen Schriften die komplizierteste und umfangreichste. Dies liegt an einer Besonderheit der chinesischen Sprache, welche aus nur reichlich 400 Silben besteht, die je nach Dialekt in bis zu 5 (Mandarin) oder auch bis zu 8 (Kantonesisch) Betonungen ausgesprochen werden. Die Zahl der Schriftzeichen ist dagegen sehr viel umfangreicher und führt vor, dass alle Versuche, die chinesische Sprache abweichend von der chinesischen Schrift zu schreiben, in einem Gewirr von Missverständnissen enden. Jeder Chinesisch-Lehrer empfiehlt seinen Schülern daher dringend das gleichzeitige Erlernen von Sprache und Schrift. Diese so eigenartige Sprache und ihre Schrift wird trotzdem von den meisten Menschen auf der Erde verstanden und verwendet.

Es gibt viele Versuche, eine einfach erlernbare Systematik in den chinesischen Schriftzeichen zu finden. Außerdem gibt es viele historische Vereinfachungen der Schriftzeichen, so dass ein Sinologe immer auch die Varianten kennen muss. Die politische Trennung von der Republik China (Taiwan oder Formosa) und der Volksrepublik China führte schließlich zu zwei unterschiedlichen Schriftvarianten, wobei ein Kenner der chinesischen Schrift den Eindruck haben kann, als habe sich Taiwan bewusst zu den kompliziertesten Schreibweisen gewandt, während das übrige China noch ohne Kenntnis von Rechnern und Mobiltelefonen weitere Vereinfachungen der Schrift vornahm, damit möglichst viele Chinesen diese Schrift auch erlernen können.

Es gibt also keineswegs nur die alten Langzeichen und die neuen Kurzzeichen, wie am Beispiel des Wortes für Land deutlich gemacht werden soll und bereits vor der politischen Trennung beider Chinas aus einer Quelle von 1924 ([1924Rüd], Stichwort Nummer 2192, Seite 227) belegt werden kann:

1991 veräußerten W. Song und D. Li eine Sammlung namens Xia4Li3Ba1Ren2 (BYX) mit der Versionsnummer 2.1, bei der ein DOS-Programm sowohl chinesiche Schriftzeichen in Guobiao-Kodierung auf Basis von 16-Bit als auch ASCII-Zeichen verarbeiten kann. Im gleichen Jahr erschien ein Chinesisch-Deutsches Wörterbuch [1991GM], bei dessen Herstellung ein derartiges Programm verwendet wurde. Eine heutige Fassung derartiger Programme heißt Nandschï Star und unterstreicht, dass das Setzen chinesischer Schriftzeichen weiterhin eine Suche unter Zeichen ähnlicher Eigenschaften ist. Immerhin wurde bei der Vereinbarung, welche Zeichen im Unikode an welcher Stelle stehen, inzwischen so sorgfältig gearbeitet, dass die Listen chinesischer Schriftzeichen nach näherem Hinsehen eine Reihenfolge sind, wie sie aus sinologischen Nachschlagewerken bekannt und folgerichtig ist. Damit kann wenigstens ein Sinologe auch ohne ein gekauftes Programm fündig werden. Eine Rechtschreibnorm, wie im Sinne von Konrad Duden für Deutsch, ist für die Schriftzeichen Chinas bislang unbekannt.

In diesem Zusammenhang dankt der Verfasser seinem Studienfreund Frank Hörmann für die Besorgung Mitte der 1990-er Jahre des Programms BYX und einer Bibelausgabe [1992Schen] mit Langzeichen, zu der in Nandjing die Fassung mit Kurzzeichen gedruckt wird. Durch den Vergleich der beiden, gleich lautenden Fassungen erscheint es am ehesten möglich, eine praktikable Zuordnung von Langzeichen und Kurzzeichen zu belegen und umzusetzen, damit zum Beispiel ein geschriebener Text für Kunden in beiden Chinas geliefert werden kann, ohne ihn doppelt neu verfassen zu müssen.

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